Colloquium Psychoanalyse

Zur Geschichte des Colloquiums Psychoanalyse

Seit dem Sommersemester 1995 veranstaltet der Arbeitskreis Psychoanalyse an der Freien Universität Berlin sein Colloquium Psychoanalyse. Der Arbeitskreis Psychoanalyse ist Anfang 1994 auf die Initiative von Studierenden gegründet worden, um der mangelnde Präsenz der Psychoanalyse im universitären Lehrangebot im Fach Psychologie zu begegnen. Während in der Humanmedizin, den kultur- und geisteswissenschaftlichen Fächern als Grundlagentheorie vermittelt, spielt die Psychoanalyse in der akademischen Psychologie nur eine marginale Rolle.

Ziel des Arbeitskreises war und ist es daher, ein wissenschafts-öffentliches Forum für die Vermittlung und die kritische Diskussion der psychoanalytischen Theoriebildung zu schaf­fen. Dabei bot und bietet ein in den universitären Rahmen eingebettetes Colloquium die Gewähr für einen Diskurs über den Gegenstand der Psychoanalyse, der schulen­übergreifend und nicht von inhaltlichen und standespolitischen Interessen determiniert ist. Mit einem solchen öffentlichen und interdisziplinären Forum soll neben einer Diskussion der psychoanalytischen Theorien auch der Versuch unternommen werden, sowohl den gesundheitspolitischen als auch den gesellschaftspolitischen Standort der Psychoanalyse zu bestimmen. Sofern die Psychoanalyse auch als eine auf Emanzipation zielende, selbstreflexive Wissenschaft verstanden wird und einen solchen Wissenschaftsanspruch nicht aufgeben will, muss sie sowohl ihren eigenen wissenschaftstheoretischen Standort im Verhältnis zu den übrigen Wissenschaften vom Menschen bestimmen, als diesen auch in einem interdisziplinären Diskurs zur Diskussion stellen. Wir möchten den Rahmen bieten, den Kemberg 1995 als Ideal einer institutionalisierten Psychoanalyse beschrieben hat: Nicht „eine Kombination aus religiösem Seminar und technischer Hochschule“, sondern eine „Verbindung von Universitätsinstitut und Kunstakademie.“

Der Verein Colloquium Psychoanalyse e. V.

Der Verein dient zum einen der Öffnung des Arbeitskreises für weitere Interessierte. Dabei soll der Verein die Struktur bieten, über das Colloquium hinausgehende Projekte zu ermöglichen. Ein weiteres Ziel ist die finanzielle Absicherung unserer Arbeit. Wir streben an, die Arbeit aus eigenen Mitteln bestreiten zu können. Nicht zuletzt soll die Vereins­gründung ein weiterer Schritt sein, der Psychoanalyse einen Raum an der Universität zu sichern. Die Mitgliedschaft im Verein Colloquium Psychoanalyse e.V. sichert die Arbeit des Arbeitskreises finanziell ab und bietet die Möglichkeit, eigenen Frage­stellungen im Diskurs um die Psychoanalyse nachzugehen.

Zu unserem Emblem und unserem Selbstverständnis

Sisyphus-Mythos

Unser Emblem zeigt eine Sisyphus-Darstellung aus dem 4.-5. Jahrhundert v. Chr. In der griechischen Mythologie bezwingt Sisyphus Thanatos und überlistet Persephone, die im Hades den Eintretenden die Erinnerung nimmt. Zweimal widersetzt sich Sisyphus der göttlichen Anordnung zu sterben. Zur Strafe muss er in der Unterwelt ein Felsstück auf den Gipfel eines steilen Berges wälzen, von dem dieser aber immer wieder, fast im Gipfel angelangt, herabrollt.

Sisyphus ist eine gebrochene Gestalt, die in ihrem Widerstand von der göttlichen Ordnung eingeholt wird. Er liefert uns das Bild für ein ‚Verständnis von Kritik als ein immer wieder neu zu beginnender, nicht zum Abschluss zubringender Prozess. Damit verbunden ist die Absage an die Vorstellung eines positiven Wissens als Formulierung überzeitlich-ver­fügbarer Gewissheiten. Die Psychoanalyse wird von uns verstanden als ein notwendiges Element einer kritischen Sozialforschung und als aufklärerische Kraft in Wissenschaft und Kultur.
Wie Albert Camus formuliert hat, muss man sich Sisyphus als glücklichen Menschen vorstellen.

Ziele des Vereins

Die Psychoanalyse ist als Anwendungs- wie auch als theoretische Disziplin Gegenstand verschiedener Einzelwissenschaften (Medizin, Psychologie, Literaturwissenschaften, Philosophie, Soziologie, Religionswissenschaften u.a.). Die Breite der Anwendungsgebiete ergibt sich aus ihrer Methode (hermeneutische Forschung, psychotherapeutische Versorgung) wie auch durch ihre theoretische Potenz zur Rekonstruktion der menschlichen Psyche. Obwohl die Psychoanalyse also verschiedene wissenschaftliche Disziplinen befruchtet, fehlt es wissenschafts-öffentlichen Foren zur Auseinandersetzung um diese Theorie. Diesen öffentlichen Raum zu schaffen und einen interdisziplinären Gedankenaustausch anzuregen, ist vordringliches Anliegen des Vereins.

Mitgliedschaft im Verein Colloquium Psychoanalyse

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Nähere Informationen erhalten Sie auf Anfrage unter:
Dr.Borkenhagen@web.de

Vorstand des Vereins Colloquium Psychoanalyse

1. Vorstand: Prof. Dr. phil. habil. Ada Borkenhagen
2. Vorstand: Dipl.-Psych. Erhard Zimmermann
3. Kassenwart: N.N.

Adresse des Vereins:
Colloquium Psychoanalyse e.V.
c/o Prof. Dr. Ada Borkenhagen, Eschenstr. 5, 12161 Berlin
Dr.Borkenhagen@web.de

Der Vorstand:

1. Vorsitzende des Vereins:
Prof. Dr. phil.-habil. Dipl.-Psych. Ada Borkenhagen, Psychoanalytikerin / Psychologische Psychotherapeutin Kontakt:
Colloquium Psychoanalyse e.V.
c/o Dr. Ada Borkenhagen, Eschenstr. 5, 12161 Berlin

Dr.Borkenhagen@web.de
2. Vorsitzender des Vereins:
Dipl.-Psych. Erhard Zimmermann

Publikationen aus dem Colloquium Psychoanalyse

Psychoanalyse und Film / Psychoanalyse und Trauma (Sisyphus – Jahrbuch Colloquium Psychoanalyse) Taschenbuch – 2004
von Ada Borkenhagen (Herausgeber)

Frühere Veröffentlichungen des Colloquium Psychoanalyse

Geschichtliches:

1997 entschlossen sich die Organisatoren des Colloquiums Psychoanalyse die im Colloquium gehaltenen Vorträge zu publizieren. Von 1997 – 2000 wurden die Vorträge des Colloquiums als „Tex­te aus dem Colloquium Psychoanalyse“ im Eigenverlag herausgegebenen.

Von 2000 – 2003 erschienen die Vorträge sowie freie Beiträge dann in der Zeitschrift: Psychoanalyse – Zeitschrift für Sozialforschung.

Ab 2004 hat das Colloquium Psychoanalyse nun sein eigenes Jahrbuch, das im Verlag Déjà vue der Sigmund Freud Buchhandlung erscheint.

Unter dem Punkt aktuelle Veröffentlichungen finden Sie Informationen zum aktuellen Jahrbuch.

Im nachfolgenden Index sind alle Veröffentlichungen des Colloquiums Psychoanalyse von 1997 – 2003 aufgeführt.

Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse

Ziel des Colloquiums Psychoanalyse an der Freien Universität Berlin ist es, ein wissen­schafts-öffentli­ches Forum für die Vermittlung und die kritische Diskus­sion der psychoanaly­tischen Theorie­bildung zu schaffen. Im uni­ver­si­tä­ren Rahmen, jenseits der insti­tu­tio­na­li­­sierten Psychoanalyse, kann der aufkläre­ri­sche Gehalt der Psychoanalyse zur Geltung kommen. In den Texten aus dem Colloquium Psy­cho­analyse werden die Aufsätze und Dis­kussionen publiziert.

Herausgegeben von Oliver Decker und Ada Borkenhagen
ISBN Heft 1: 3-926522-12-7
Heft 2: 3-926522-14-3
Heft 3: 3-933907-00-4
Heft 4: 3-933907-01-2
Heft 5: 3-933907-02-0

grafik texte

Inhalt Heft 1:

  • Ferenc Jadi: Der Traum des Doktors
  • Gunzelin Schmid-Noerr: Symbolik des latenten Sinns – Zur psychoanalytischen Symboltheorie nach Alfred Lorenzer
  • Ada Borkenhagen: Aspekte der Kulturismus-Debatte: Zu Adornos Rezeption der Psychoanalyse
  • Hans-Joachim Busch: Zum spätmodernen Umgang mit „Unbehagen in der Kultur“ – politisch-psychologische Betrachtungen
  • Oliver Decker: „Wir waren die Stärkste der Parteien…“ – 1989 und die Westdeutsche Linke
  • Simone Bernet: Bemerkungen zu Rekonstruktion und Wahnsinn – Feud- und Lacan-Lektüre
  • Sandra Brugger: „Der Kinder stumpfe Zähne…“ Bedeutung des National­sozialismus bei Enkeln von Mitläufern und Tätern
  • Udo Hock: Freuds Theorie der Erinnerung – Die Logik der Entstellung

Inhalt Heft 2:

  • Erwin Kaiser: Quantifizierende Psychotherapieforschung und Psycho­ana­lyse
  • Rolf-Peter Warsitz: Zwischen Körper und Symbol
  • Sebastian Hartmann: Äußere und Innere Grenzen psychoanalytischer Einsichten
  • Hermann Beland: Wie arbeitet der Kliniker? Grundlagenforschung und Psychoanalyse
  • Erhard Zimmermann: Über die Liebe zur Erkenntnis
  • Oliver Decker: Psychotherapie nach Norm? Überlegungen zum Thema Qualitäts­sicherung

Inhalt Heft 3:

  • Edith Seifert: Walfisch und Eisbär treffen sich nie
  • Christa Rohde-Dachser: Über Penisneid, Todes- und Unsterblichkeits­phantasien – weibliche Formen der Auseinandersetzung mit der Todes­ge­wiß­heit
  • Bernd Nitzschke: Kein Achilles ohne Ferse. Kastrationsangst und Symbio­sewünsche – Ein Beitrag zur Psychoanalyse der Männlichkeit
  • Johanna Schäfer: Der negative weibliche Ödipuskomplex
  • Ada Borkenhagen: Das körperliche Ich als Geschlechtliches
  • Stephanie Castendyk: Vom „Objektwechsel“ zur Objektwahl. Die Psycho­ana­lyse als Grundlage eines nicht pathologischen Verständnisses der weib­lichen Homosexualität

Inhalt Heft 4: Psychoanalyse und Kunst

  • Wolfgang Hegener & Heidi Möller: „Zu schön um wahr zu sein?“ Psychoanalyse zwischen Kunst und Wissenschaft
  • Fritz Felgentreu: Literatur und Psychoanalyse – Warum wir über Pygmalion lesen wollen
  • Ludwig Haesler: Der Mythos des Orpheus
  • Horst Kächele et al.: Fokus und Übertragung
  • Heinz Steinert: Arbeitsbündnisse in der Kunst des 20. Jahrhunderts
  • Rike Felka: Desublimation – Unica Zürns letzte Aufzeichnungen
  • Irene Tobben: Die Kunst des Marsyas
  • Inge Jádi: Im Bilde sein – verschiedene Rezeptionsformen von Werken der Prinzhorn-Sammlung

Inhalt Heft 5: Psychoanalytische Institutionalisierung und Politische Psycho­logie

  • Michael Schwandt: Subjektkonstitution und Politische Praxis
  • Oliver Decker: Autoritärer Charakter
  • Eva Jaeggi: Streng in der Theorie – flexibel in der Technik
  • Emilio Modena: Selbstverwaltete Psychoanalyse – Zürich zum Beispiel
  • Bernd Nitzschke: Anpassung oder Widerstand? Psychoanalyse unter Hitler
  • Wolfgang Köhler: Zur Rezeption des Werkes von Sigmund Freud in der DDR
  • Claus-Dieter Rath: Das Unheimliche in der psychoanalytischen Institution
  • Alexander Sölch: Die WERKSTATT – Ein sicherer Ort?
  • Roberto Neuburger: Freud (und Lacan) im Alltagsleben in Argentinien

Index der Publikationen des Colloquium Psychoanalyse von 1997 – 2003

1997- 2000 Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse

Beland, H. (1998). Wie arbeitet der Kliniker? Oder: Die psychoanalytische Methode ist der wissenschaftlich vorbildliche Forschungsumgang mit dem lebenden Objekt der Forschung als einer Person. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (2), 59-75

Bernet, S. (1997). Bemerkungen zu Rekonstruktion und Wahnsinn. Freud- und Lacan-Lektüre. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 1 (1), 101-115

Borkenhagen, A. (1997). Aspekte der Kulturismus-Debatte: Zu Adornos Rezeption der Psycho­analyse. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 1 (1), 59-71

Borkenhagen, A. (1998). Das körperliche Ich als Geschlechtliches. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (3), 56-67

Brugger, S. (1997). „Der Kinder stumpfe Zähne…“ – Bedeutungen des Nationalsozialismus bei En­keln von Mitläufern und Tätern. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 1 (1), 116-129

Busch, H.-J. (1997). Zum spatmodernen Umgang mit „Unbehagen in der Kultur“. Politisch-psychologische Betrachtungen. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 1 (1), 72-86

Castendyk, S. (1998). Vom „Objektwechsel“ zur Objektwahl – Die Psychoanalyse als Grundlage eines nicht pathologischen Verständnisses der weiblichen Homosexualität. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (3), 90-106

Decker, 0. (1997). „Wir waren die stärkste der Parteien…“ Zur Politiktauglichkeit der Psychoana­lyse. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 1 (1), 87-100

Decker, 0. (1998). Psychotherapie nach Norm? Überlegungen zum Thema Qualitätssicherung. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (2), 94-104

Decker, 0. (1999). Autoritarismus und Persönlichkeit. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 3 (5), 115-129

Felgentreu, F. (1999). Literatur und Psychoanalyse – Warum wir über Pygmalion lesen wollen. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 3 (4), 19-32

Felka, R. (1999). Desublimation – Unica Zürns letzte Aufzeichnungen. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 3 (4), 103-111

Haesler, L. (1999). Der Mythos des Orpheus und seine literarische Gestaltung im „Tod von Ve­nedig“ und im „Zauberberg“ Thomas Manns. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 3 (4), 33-66

Hartmann, S. (1998). Äußere und Innere Grenzen psychoanalytischer Einsichten. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (2), 42-58

Hegener, W. & Möller, H. (1999). „Zu schön um wahr zu sein?“ – Psychoanalyse zwischen Kunst und Wissenschaft. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 3 (4), 4-18

Hock, U. (1997). Freuds Theorie der Erinnerung. Zur Logik der Entstellung. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 1 (1), 130-145

Jadi, F. (1997). Der Traum des Doktors. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 1 (1), 5-31

Jadi, l. (1999). Im Bilde sein – verschiedene Rezeptionsformen von Werken der Prinzhorn-Samm­lung Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 3 (4), 119-144

Jaeggi, E. (1999). Streng in der Theorie – flexibel in der Technik. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 3 (5), 4-18

Kachele, H.; Schinkel, A.; Schmieder, B.; Leuzinger-Bohleber, M. & Thomä, H. (1999). Fokus und Übertragung – in der psychoanalytischen Behandlung der Amalie X. Texte aus dem Col­lo­quium Psychoanalyse 3 (4), 67-84

Kaiser, E. (1998). Quantifizierende Psychotherapieforschung und Psychoanalyse. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (2), 4-17

Koller, W. (1999). Zur Rezeption des Werkes Sigmund Freuds in der DDR. Texte aus dem Collo­quium Psychoanalyse 3 (5), 62-83

Modena, E. (1999). Selbstverwaltete Psychoanalyse – Zürich zum Beispiel. Texte aus dem Collo­quium Psychoanalyse 3 (5), 19-36

Neuburger, R, (1999). Freud (und Lacan) im Alltagsleben. Texte aus dem Colloquium Psycho­analyse 3 (5), 130-139

Nitzschke, B. (1998). Kein Achilles ohne Ferse. Kastrationsangst und Symbiosewünsche – Ein Beitrag zur Psychoanalyse der Männlichkeit. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (3), 12-27

Nitzschke, B. (1999). Anpassung oder Widerstand? Psychoanalyse unter Hitler. Texte aus dem Col­loquium Psychoanalyse 3 (5), 37-48

Rath, C.-D. (1999). Das Unheimliche in der psychoanalytischen Institution. Texte aus dem Col­loquium Psychoanalyse 3 (5), 84-97

Rohde-Dachser, C. (1998). Über Penisneid, Todes- und Unsterblichkeitsphantasien – weibliche For­men der Auseinandersetzung mit der Todesgewißheit. Texte aus dem Colloquium Psycho­ana­lyse 2 (3), 68-89

Schäfer, J. (1998). Der negative weibliche Ödipuskomplex, Texte aus dem Colloquium Psycho­analyse 2 (3), 28-55

Schmid-Noerr, G. (1997). Symbolik des latenten Sinns. Zur psychoanalytischen Symboltheorie nach Alfred Lorenzer. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 1 (1), 32-58

Schwandt, M. (1999). Subjektkonstitution und politische Praxis. Texte aus dem Colloquium Psy­cho­analyse 3 (5), 98-114

Seifert, E. (1998). Walfisch und Eisbär treffen sich nie. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (3), 4-11

Solch, A. (1999). Die WERKSTATT – Ein sicherer Ort? Spurensuche zwischen Größenphantasien und Einsamkeit. Eine Innenschau. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 3 (5), 49-61

Steinert, H. (1999). Arbeitsbündnisse in der Kunst des 20. Jahrhunderts: Von Richard Gerstl und Arnold Schönberg zu Marcel Duchamp und John Cage. Texte aus dem Colloquium Psy­choanalyse 3 (4), 84-102

Tobben, l. (1999). Die Kunst des Marsyas. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 3 (4), 112-118

Warsitz, R.-P. (1998). Zwischen Körper und Symbol – Die Erfahrung der Psychoanalyse zwischen den Methodologien der Wissenschaften. Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (2), 18-41

Zimmerman, E. (1998). Über die Liebe zur Erkenntnis – Zur Psychoanalyse der Sublimierung. Tex­te aus dem Colloquium Psychoanalyse 2 (2), 76-93

2000-2003 Psychoanalyse – Zeitschrift für Sozialforschung

Beland, H. (2000): Wahrheitsfunktion, Anschauungsformen, Existenzbegriff, Theorie des Denkens – Bion für das philosophische Interesse. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 79-90.

Bergmann, A. (2000): Tabuverletzungen und Schuldkonflikte in der Transplantationsmedizin. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 127-154.

Boothe, B. (2002): Das Lächerliche, das Heilige und der Tod bei Friedrich Dürrenmatt. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 3-22.

Borkenhagen, A. (2000): Zum Wandel weiblicher Körperinszenierungen – „Vom hysterischen Körper zur Selbstschädigung“. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 5-16.

Buchholz, M. B. (2001): Andere, Fremde, Feinde – Zur politischen Theologie des Antisemitismus. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 51-77.

Buchholz, M. B. (2002): Der Körper in der Sprache. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 159-188.

Buchholz, M. B. (2003): Stellungnahme zu Birgit Kröner-Herwig: „Expertise zur Beurteilung der empirischen Evidenz des Psychotherapieverfahrens Verhaltenstherapie“. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 7, S. 145-158.

Busch, H.-J. (2001): Die Anwendung der psychoanalytischen Methode in der Sozialforschung – Teil 1. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 21-37.

Busch, H.-J. (2001): Die Anwendung der psychoanalytischen Methode in der Sozialforschung – Teil II. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 203-232.

Calvet-Kruppa, C. (2001): Feinfühligkeit als Interaktionsqualität: Ein Leitfaden entwicklungs­psychologischer Intervention. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 153-165.

Decker, O. (2002): Der Prothesengott – Zum Eingedenken der Natur im Subjekt. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 83-95.

Geoffroy, M.A. (2003): Die „gesprengte Institution“ als „Fort-Da-Spiel“ – Von Jacques Lacan zum Konzept der „gesprengten Institution“ der École Expérimentale de Bonneuil-sur-Marne. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 7, S. 51-77.

Gödde, G. (2000): Die Öffnung zur Denkwelt Nietzsches – eine Aufgabe für Psychoanalyse und Psychotherapie. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 91-122.

Görlich, G. (2002): „… die Kindlein, sie hören es nicht gerne“ – Freuds Herausforderung „Todestrieb“. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 67-82.

Haubl, R. (2000): Gesellschaftlicher Wandel und die Zukunftsfähigkeit der Psychoanalyse. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 43-57.

Haubl, R. (2001): Freud goes to Hollywood: Voyeurismus und Kino. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 39-50.

Hegener, W. (2000): „Die Schrift ist ursprünglich die Sprache des Abwesenden“ (Freud) – Zur Psychoanalyse und Philosophie der Schrift. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 59-78.

Hirsch, M. (2000): Symbolfunktion und Objektverwendung des eigenen Körpers bei Selbst­schädigung, Autoerotismus und Essstörungen. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 111-126.

Hübner, W. (2002): Deutungen verführen … Bemerkungen zum bislang unaufgelösten Problem der Suggestion oder: Psychoanalyse zwischen Kunst und Wissenschaft. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 129-137.

Jaeggi, E. und H. Möller (2002): Qualitative Sozialforschung – Wege, Irrwege und Illusionen. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 189-203.

Jarchov, A. (2002): Über Todestrieb und Endlichkeit, Autismus und Zeit. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 23-42

Kamper, D., R. P. Warsitz und U. Hock (2000): Encore – En corps. Über die Wiederholung. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 37-67.

Klann-Delius, G. (2001): Emotionale Bindung, Kommunikation und Sprache in der Entwicklung. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 175-186.

Kohte-Meyer, I. (2001): Ein entgleister Dialog – unerwartete Schwierigkeiten in der psychoanalytischen Arbeit mit Patienten aus der ehemaligen DDR. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 79-92.

Küchenhoff, J. (2000): Die Lesbarkeit des Körpers – Psychoanalytische Zugänge zur Somatisierung und Selbstverletzung. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 17-36.

Künzler, E. (2000): „Das Ich“ oder „eine Person“ – die Vertreibung aus der Gewissheit psychoanalytischer Theorien. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 3-19.

Kuhn, P. (2002): „Mit einer Fülle von Einzelheiten fantasieren“ oder: Erzählungen von Dr. Ernest Jones‘ Notzucht-Verfahren von 1906. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 97-128.

Lang, H. (2000): Struktural-analytische Überlegungen zum Leib-Seele-Zusammenhang am Leitfaden des Phänomens „Symptomshift“. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 89-97.

Langenbach, M. (2002): „Ein nettes Herrchen“. Körperphantasmen und Übergangsphänomene in Patientennarrativen im ersten Jahr nach einer Herztransplantation. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 205-220.

Möller, H. (2001): Supervision in der Justizvollzugsanstalt. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 5-20.

Müller, B. (2000): Performative Praxis – Körperdiskurse der Postmoderne. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 99-110.

Müller, K. (2001): Grundlagen der Bindungstheorie. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 127-151.

Parin, P. (2001): Ist Psychoanalyse eine Sozialwissenschaft? Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 93-109.

Prasse, J. (2003): Lacan liest Freuds Traumdeutungen. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 7, S. 97-113.

Rath, C.-D. (2003): Im Sommer 1963 lässt die Internationale Psychoanalytische Vereinigung Jacques Lacan die Lehrerlaubnis entziehen – was war das Unvereinbare? Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 7, S. 5-34.

Reichmayr, J., und K. Peltzer (2002): Psychoanalyse in Afrika. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 249-259.

Rensmann, L. (2002): Das Erbe des „Thanatos“. Zur Sozialpsychologie der Destruktion in Konzeptionen kritischer Theorie. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 43-65.

Schwaiger, B. (2003): Sprache in der Institution. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 7, S. 35-49.

Stirn, A. (2003): Kunstvolles Tätowieren und Piercing als selbstfürsorgliche Handlung. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 7, S. 133-143.

Thomann, E. (2003): Was beansprucht eine lacanianische Psychoanalyse? Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 7, S. 79-96.

Thomä, H. (2001): Intersubjektivität und Bifokalität der Übertragung. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 187-201.

Tuschling, A. (2003): Aporien des unbewussten Wunsches – Überlegungen zur zeitlichen Verfasstheit des Unbewussten. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 7, S. 115-131.

Weilnböck, H. (2002): Qualitative Sozialwissenschaft und Psychotraumatologie? Syntheseversuch anhand einer narratologisch-medienbiografischen Fallstudie über dissoziative Rezeptionsmodi. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 221-248.

Witte, A. (2001): Angebändelt oder verstrickt? Überlegungen zur Phänomenologie der Bindung. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 5, S. 167-173.

Zepf, S. (2000): Verführungstheorie, Entstehung und Untergang des Ödipus-Komplexes. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 21-42.

Zepf, S. (2000): Der Freudsche Triebbegriff – was bleibt? Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 4, S. 69-87.

Zepf, S., und S. Hartmann (2002): Einige Bemerkungen zu Otto Kernbergs Aufsatz „Psychoanalytische Beiträge zur Verhinderung gesellschaftlich sanktionierter Gewalt“. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 6, S. 139-144.

Zepf, S., J. Zepf und S. Hartmann (2003): „Psychische Realität“, Unbewusstes und Sprache. Psychoanalyse – Zs. f. Sozialforschung, 7, S. 261-284.

Ringvorlesung

Mit der Ringvorlesung möchten wir eine Einführungsveranstaltung in die vielfältigen Anwendungsgebiete der Psychoanalyse bieten.

Die Psychoanalyse ist eine psychotherapeutische Methode, eine klinisch-psychologische Theorie und eine darauf aufbauende allgemeine psychologische Theorie. Sie beschäftigt sich mit psychischen Störungen, den ihnen zugrunde liegenden Konflikten und deren unbewusster Verarbeitung. Über den klinischen Bereich hinaus sind psychoanalytische Theorien und Modelle in Theoreme der Allgemeinen Psychologie, der Entwicklungs­psycho­logie sowie Sozial- und Gedächtnispsychologie eingegangen. Psychoanalytische Ansätze haben darüber hinaus Einfluss auf die Pädagogik, die Literaturwissenschaft und Kunst­geschichte, die Mentalitätsgeschichte, die Kultursoziologie, die Ethnologie und Gebiete der Rechtsanwendung genommen.

Mit den Vorträgen möchten wir Studierenden unterschiedlicher Fächer ein Forum bieten, einzelne Fassetten der vielfältigen Anwendungsbereiche der Psychoanalyse kennen zulernen. Die Ringvorlesung wird in Kooperation mit in Berlin ansässigen Psychoanaly­tischen Ausbildungsinstituten entstanden. Im Hinblick auf die Praxisrelevanz der Veranstal­tungsreihe schien uns die Zusammenarbeit mit praktizierenden Analytikerinnen und Analytikern besonders lohnend. Wir planen eine Fortführung der Ringvorlesung an der Freien Universität jeweils in den Wintersemestern der folgenden Jahre.

Presseecho

Der Tagesspiegel, 30.11.1999, S. 28

Hilfeschreie in den eigenen Körper geritzt

Forscher deuten den Hang zur Selbstverstümmelung

Manchmal, wenn er alleine ist, reißt Herr X sich einen Fingernagel ab. Er kann nicht aufhören zu zerren, bis der Nagel fast vollständig zerstört ist. Ordentlich traktiert er einen Finger nach dem anderen, „immer“, sagt er, „ist nur einer dran“, erst wenn der erledigt ist, geht Herr X zum nächsten über.
Symptome sind wie Zeichen auf den Leib geschrieben. Nie eindeutig zu lesen, verlangen sie nach Übersetzung, sie erzählen eine individuelle Geschichte. Körpersymptome können Hilferufe sein, die sich wie ein Brief an die Umwelt oder einen Therapeuten richten. Sie können aber auch Kommunikation verschließen. „In manchen Fällen kann der Therapeut nur Zeuge einer Einschreibung in den Körper sein, die sich nicht an ihn richtet“, meinte Joachim Küchenhoff, Leiter der Abteilung Psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel, auf dem Colloquium „Psychoanalyse“ an der Freien Universität.
In dem Vortrag „Körpersymptome als Beziehungsinszenierung“ legte Küchenhoff den Schwerpunkt auf „selbstverletzendes Verhalten“, das häufig als Reaktion auf frühe Traumatisierungen, beispielsweise sexuellen Missbrauch, auftritt. Menschen fügen sich selbst zwanghaft immer wieder Schnittwunden, Verbrennungen, grobe Verletzungen zu. Dies ist nicht ein Appell an andere, der Körper werde hier, so Küchenhoff, zur Bühne oder zum Container. „Er muss Erfahrungen bergen oder als Ort von Beziehungsformen dienen, die den äußeren Objekten nicht mehr zugetraut werden.“ Im Fall von Herrn X wird eine Hand zur Verfolgerin der anderen, die eine ist die gestrafte, die andere die bestrafende Instanz. Der Sinn dieser Inszenierung sei es, Wut und Grausamkeit, die im Alltagskontakt mit anderen Menschen gar gefährlich werden könnten, lieber am eigenen Körper auszutragen. Die zwischenmenschlichen Alltagsbeziehungen werden so geschont.In wieder anderen Fällen wirkt selbstverletzendes Verhalten entlastend, wie ein Ventil für allzu großen psychischen Druck. Es hilft, den Körper zu spüren und Körpergrenzen aufrecht zu erhalten. Als Beispiel hierfür nannte Küchenhoff eine magersüchtige Patientin, die sich „entleert“ fühlte und imaginierte Stimmen hörte, wenn ihr jemand zu nahe kam.

Sobald sie sich Schnitte oder Verbrennungen an Handflächen und Fußsohlen zufügte, gingen die Stimmen zurück. „Über den intensiven Schmerz an der Körpergrenze stellt die Frau das Empfinden wieder her, über eigene Grenzen zu verfügen“, deutete Küchenhoff. Heil bleibe der Körper hier nur durch ein Opfer, durch eine Wunde. Die Schnitte werden selten beliebig gesetzt, Narben wirken wie Markierungen, wie Schriftzeichen auf der Haut. Küchenhoff hielt sich an die klinische Unterscheidung zwischen neurotischen, borderline und psychotischen Störungen. Die erste Erfahrung, die wir von unserem Leib machen, sei eine zwischenmenschliche: der enge Hautkontakt von Mutter und Kind. In welcher Art Körpersymptome später auftreten, hat viel mit dieser ersten Erfahrung zu tun. Wurde sie vertrauensvoll erlebt, kann das neurotische Körpersymptom zum „Brief werden. Waren frühe Kontakte be- ängstigend und drohten die eigene Person zu überschwemmen, kann – wie in borderline oder psychotischen Störungen – das Körpersymptom zum Monolog, zum Schutzwall gegen die Außenwelt werden.
Ziel einer Therapie wäre es, „die Fixierung aufzuheben und den Körper vor den immer gleichen Einschreibungen zu verschonen“. Das hieße auch, die Bühne zu verlagern, Konflikte, die der Patient schmerzhaft an sich selbst austrägt, angstfrei in eine therapeutische zwischenmenschliche Beziehung zu überführen. Der „Arbeitskreis Psychoanalyse“ an der FU Berlin veranstaltet regelmäßig Vorträge zur psychoanalytischen Theorie. Am 7. Dezember wird ein Werktstattgespräch mit dem Titel „Encore-Über die Wiederholung“ stattfinden (Habelschwerdter Allee 45, Raum JK 25/219, 79 Uhr).

Der Tagesspiegel, 25.08.1998, S. 27, Nr. 16437

Das Unbewußte will unsterblich sein

Metaphern des Todes: Eine psychoanalytische Sicht
VON ANDREA ROEDIG

Wir wissen, dass wir sterben werden, und leben, als hätten wir ewig Zeit zur Verfügung. Wie dieser Widerspruch zwischen Wissen um Vergänglichkeit und Wunsch nach Unsterblichkeit bewältigt wird, mit welchen unbewussten Strategien der Todesverleugnung wir arbeiten, erklärte die Psychoanalytikerin Christa Rohde-Dachser kürzlich in einem Vortrag „Metaphern des Todes und der Todesverleugnung in den unbewussten Phantasien von Männern und Frauen“. Zu dem Vortrag eingeladen hatte das Colloquium Psychoanalyse der FU.

Christa Rohde-Dachser ist Professorin am Institut für Psychoanalyse in Frankfurt am Main und Leiterin des dortigen Ausbildungsinstituts. Bekannt wurde sie vor allem mit ihrer Studie zu Borderline-Störungen sowie mit ihrer Arbeit zur feministischen Kritik der Psychoanalyse, „Expedition in den dunklen Kontinent“. „Metaphern des Todes“ untersucht Rohde-Dachser in einem seit fünf Jahren bestehenden Frankfurter Forschungsprojekt, das anfänglich darauf ausgerichtet war, anhand von Interviews und prospektiven Tests unbewusste Wünsche und Phantasien von Männern und Frauen ans Licht zu bringen. „Wir stellten aber fest, dass die Interview-Texte latent sehr häufig um Tod und Todesbewältigung kreisten“, sagte Rohde-Dachser. So begann sie sich für die Struktur unbewusster Todes- und Unsterblichkeitsphantasien zu interessieren.

Psychoanalytisch-tiefenhermeneutische Deutungen sind nicht leicht nachzuvollziehen. Sie konzentrieren sich vor allem auf Irritationen, auf eigentümliche Formulierungen und auf Widersprüche, um die latenten, unbewussten Inhalte der Rede freizulegen. Ein Proband der Studie beispielsweise schilderte die Geburt seiner Tochter als ein Liebeserlebnis. Bei der Niederkunft habe es Komplikationen gegeben und während die Mutter des Kindes im Koma lag, hielt der Mann seine neugeborene Tochter stundenlang im Arm und wollte sie auch auf Aufforderung der Krankenschwestern nicht wieder hergeben. Das sei Liebe, gab der Proband zu Protokoll, eine Liebe, wie er sie seiner Mutter gegenüber nicht gespürt habe.

Rohde-Dachser interpretierte diese zählte Erinnerung, in der die Sorge um im Koma liegende Ehefrau überhaupt keine Rolle spielte, als Projektion. „Die geliebte und begehrte Mutter der frühen Kindheit wird in der Tochter neu zum Leben erweckt und die Zeit wird auf diese Weise zum Stillstand gebracht.“ Die Ehefrau dient einzig als Lebensspenderin für die Tochter. „Unsterblichkeit und Wiederherstellung des Paradieses durch die Opferung der Frau“ nannte Rohde-Dachser diese Strategie der Todes- und Zeitverleugnung.

Der Kerngedanke in Rohde-Dachsers Deutungen ist die Koppelung von Todesthematik und so genannter „Urszene“. Wenn Kind zum ersten Mal erkennt, dass die Eltern eine sexuelle Beziehung zueinander haben entsteht, so Rohde-Dachser, beim Kind Wissen um den Gene­rationen- und Geschlechtsunterschied und damit auch eine erste Vorstellung von Zeit und Vergänglichkeit. Die Urszene ist daher nicht nur eine Szene der Trennung von der Mutter, sondern auch eine „Urszene der Sterblichkeit“. „Tod und Urszene sind so mitein­ander verbunden, dass die unbewusste Verleugnung der Urszene immer auch Verleugnung des Todes ist und umgekehrt.

Ganz zufrieden war das Publikum allerdings nicht mit den vorgestellten Ergebnissen. „Methodisch ist das alles sehr vage“, kommentierte einer der Zuhörer. „Unser Unbewusstes glaubt nicht an den eigenen Tod, es gebärdet sich wie unsterblich“ – sagte Freud. Damit lindert es die Kränkung über das Wissen von Tod und Trennung steht. Eines jedenfalls ist den Todesphantasien gemeinsam: Sie nehmen den Tod in eigene Regie. „Das Gefühl des passiven Ausgeliefertseins an den Tod macht einer aktiven Gestaltung Platz“, stellte Rohde-Dachser fest. „Jedes Phantasma über den Tod ist damit gleichzeitig eine Form der Todesüberwindung.“

Tagesspiegel, 29.12.1998, S. 27

Ödipus, anders gelöst

Für die Psychoanalyse sind Homosexuelle nach wie vor gestört / Neuer Theorieansatz
VON ANDREA ROEDIG

Homosexuelle sind krank. Das scheint die Auffassung deutschsprachiger Psychoanaly­tischer Institute zu sein, die sich schwer tun mit Schwulen und Lesben in der Zunft. In der Regel werden Homosexuelle, aus mehr oder weniger offensichtlichen Gründen, nicht zur Psychoanalyseausbildung zugelassen. Nur wenigen gelingt es, an liberaleren Instituten, zum Beispiel in Frankfurt oder München, unterzukommen. Die Berufsdiskriminierung in diesem Sektor ist ein offenes Geheimnis, und sie hat einen einfachen Grund: Die Psychoanalyse kann kranke Homosexuelle erklären, gesunde nicht.

„Seit 1973 ist Homosexualität aus dem Internationalen Verzeichnis der Krankheiten (ICD) gestrichen, es gibt nach klinischen Kriterien gesunde Schwule und Lesben – doch der Psychoanalyse fehlt eine entsprechende Theorie dazu“, konstatiert die promovierte Germanistin, Fernsehjournalistin und angehende Psychoanalytikerin Stephanie Castendyk. Sie skizziert, wie eine solche Theorie für die weibliche Homosexualität aussehen könnte.

Psychoanalytische Erklärungen der Homosexualität sind seit Freud nicht gerade liberaler geworden. Auch neuere Ansätze zu weiblicher Homosexualität können, so Castendyk, nicht recht überzeugen, weil sie entweder die frühe Mutter-Tochter-Beziehung über Gebühr erotisieren oder Homosexualität immer noch im Raum einer sehr frühen, also gravierenden, Störung ansetzen. Aus diesem frühen, präödipalen Bereich will Castendyk die Homosexualität als „Krankheit“ erlösen. Dazu bedarf es keiner generellen Revolution. Castendyk, die sich auf Irene Fast, Francoise Dolto und Jacques Lacan stützt, setzt einfach die vorhandenen Elemente der psychoanalytischen Begrifflichkeit anders zusammen.

Der Kern ihrer Überlegungen besteht dar- in, den so genannten Ödipuskomplex in zwei Phasen zu trennen und zwischen Liebe und sexuellem Begehren zu unterscheiden. Während Freud das Begehren als ein Kontinuum ansah, das, in verschiedene Stufen unterteilt, mit dem Ödipuskomplex zu genitaler Reife gelangt, nimmt Castendyk qualitativ unterschiedliche Phasen an. Am Anfang stünde eine Art autoerotischer Omnipotenz, in der das Kind nichts von einem Geschlechtsunterschied weiß und nicht ein „anderes Geschlecht“ begehrt. Die Kränkung, die Freud noch „Penisneid“ genannt hatte, ließe sich – für beide Geschlechter reformulieren als die kränkende Erkenntnis, nur ein Geschlecht, und nicht beide zu sein. Diese Erkenntnis – als erste Phase des Ödipuskomplexes – beendet früh­kindliche Phantasien über die erotische Allmacht und schafft Raum für das, was man als Begehren „nach dem Anderen“ bezeichnen kann. Dies erst wäre die eigentliche Geburts­stunde des sexuellen Begehrens, das nach Castendyk immer Differenz voraussetzt. „Nur wenn ich eines bin, männlich oder weiblich, kann ich das andere begehren“, argumentiert sie.

Jetzt erst beginnt – als zweiter Schritt – eine eigene „Positionierung“ im erotischen Dialog. Das Begehrensobjekt steht nicht – wie in Freuds Modell – schon vorher fest, es wird jetzt erst gewählt und kann, bei einer bestimmten Konstellation für das Mädchen, auch die Mutter sein.

Castendyks Modell erlaubt es, Homosexualität jenseits einer Regression auf eine frühe Entwick­lungsphase oder der einer Störung der sexuellen Reifung zu denken. Homosexua­lität wäre einfach eine mögliche Lösung des ödipalen Konflikts. Eine „spezifische Konfliktsituation“ muss indes vorliegen, denn, meint Castendyk, „Homosexualität ist nicht der Weg des geringsten Widerstandes, und es bedarf schon guter Gründe, um sie in unserer Gesellschaft als eine Lösungsstrategie zu wählen.“

Mit der These von der „erotischen Positionierung“ hat Castendyk gleichzeitig ein Rätsel über Bord geworfen, das Sigmund Freud zurückgelassen hatte: den so genannten Objekt­wechsel. Während für den kleinen Jungen das Geschlecht des ersten Liebesobjekts, der Mutter, im Regelfall mit dem der späteren Sexualpartner übereinstimmt, muss, nach Freuds Logik, beim Mädchen erklärt werden, wie sich das erotische Begehren überhaupt auf das männliche Geschlecht verschiebt. Mit der „erotischen Positionierung“ wäre auch dieses Relikt hinfällig: Die Mutter ist zwar das erste Liebes-, nicht aber Begehrensobjekt. Das Kind „entscheidet sich“, wenn auch vorbewusst, erst später für ein Objekt des Begehrens. Ein Objektwechsel von Mutter zu Vater – so Castendyks einfache Antwort – findet beim Mädchen gar nicht statt, der „Wechsel“ ist eine Wahl.

Dass sie sich mit ihrem Ansatz genau zwischen die Stühle der Psychoanalyse-Gemeinde und der Homo-Community setzt, weiß Castendyk. Die konservativen unter den Lehr­psycho­analytikern werden weiterhin versuchen, ihre Reihen gegen schwule und lesbische Anwärter zu schließen. Aus der Ecke der Homosexuellen ist andere Kritik zu erwarten. Die Kategorien „weiblich“ und „männlich“, mit denen Castendyk operiert, gelten bei der theoretischen Avantgarde als heterosexistische Mythen, die es zu unterlaufen, nicht theoretisch zu befestigen gilt.

Castendyk zeigt sich dickfellig, sie mag Kontroversen. „Theorie“, sagt sie, „ist eine Sache der Leidenschaft.“

Stephanie Castendyk: Die Psychoanalyse als Grundlage eines nicht pathologischen Verständnisses der weiblichen Homosexualität, in: Texte aus dem Colloquium Psychoanalyse, Heft 3, Oktober 1998.